06. Jänner 2023

Den Wirt „stupfen“.

Wenn man sich auch zu Hause möglichst biologisch und gesund ernährt, beim Essengehen im Restaurant sind die besten Vorsätze oft über Bord geworfen. Allein schon deshalb, weil es in Vorarlberg nur ganz ganz wenige Gastrobetriebe gibt, die vollständig auf Bio setzen. Erwähnt sei hier z.B. das Moritz in Hohenems. Doch was kriegen wir im konventionellen Gasthaus eigentlich serviert?

Ich möchte kein Schnitzel aus einem Schweine-KZ.

Klar ist, dass auch der Gastronom / die Gastronomin Unternehmer sind und ihren Gewinn im Auge haben müssen. D.h. üblicherweise so günstig wie möglich einkaufen und so teuer wie möglich verkaufen. Und billig ist heimisches Biofleisch eben so gar nicht. Unsere Recherche hat gezeigt, dass im Lebensmittel-Großhandel (wo sich die Gastronomie üblicherweise eindeckt) die Mehrzahl der angebotenen Fleischprodukte weder Bio, noch aus dem Ländle und meist wahrscheinlich aus Massentierhaltung sind.

Der Anblick eines solchen Schweinezuchtbetriebs (70.000 Tiere) in den neuen deutschen Bundesländern vor einigen Jahren, raubt mir heute noch – wenn ich daran denke – jedweden Appetit auf Fleisch. Aber genau solche Betriebe, in denen Tierwohl ein absolutes Fremdwort ist, machen unsere unermessliche Fleischgier erst möglich.

Papier ist geduldig. Nachfragen bewirkt was.

Und von einer heimischen Tierzüchertin haben wir einmal die Info erhalten, dass ein Gastro-Betrieb drei Gänse bei ihr gekauft hat und den ganzen Winter über viel mehr Portionen mit ihrem Ländle-Herkunfts-Versprechen verkauft hat, als drei Gänse überhaupt hergeben. Ist also auf die Auskünfte in der Speisekarte auch kein Verlass mehr?

Als Gast hat man natürlich kaum die Möglichkeit, die Herkunft der Speisen und Zutaten nachzuvollziehen. Aber wir können etwas machen, das auch in anderen Branchen (Lebensmitteleinzelhandel, Textilbranche) geholfen hat: Nachfragen und damit Bedarf signalisieren und mit diesem „Stupfer“ den Wirt/die Wirtin vielleicht zum Nachdenken anregen: „Entschuldigung, können Sie mir sagen, woher dieses Fleisch stammt?“
Auch wenn der ein oder andere vielleicht bei der Antwort schwindelt – die Frage ist angekommen. Und wenn es immer mehr tun, dann wird er/sie vielleicht auch das Einkaufsverhalten ändern.

Ich erzähle in diesem Zusammenhang gerne die Geschichte, als ich vor vielen Jahren eine Verkäuferin in einem Sportartikelgeschäft fragte, woher denn dieses Funktions-Shirt käme.
Sie gab mir zur Antwort: „Aus unserem Lager.“ Sie hatte die Frage an sich nicht wirklich verstanden bzw. war darauf überhaupt nicht sensibilisiert. Heute bekommt man auf diese Frage (meist sogar schon, wenn man nur an dem „made in“-Etikett fummelt) kompetente Auskünfte, ob das Produkt in Europa oder zumindest fair produziert wurde. Was zeigt: Stetes Fragen höhlt die Ignoranz aus.

Wildwochen made in Neuseeland.

Als ich mit einem Wirt über die Herkunft des Wildbretts auf meinem Teller sprach, meinte er, das könne gar nicht aus Österreich stammen. Während der nationalen Wild-Fress-Wut in Österreichs Gastronomie würde so viel Fleisch benötigt – das würde der heimische Wald, die Abschussquoten, ja nicht einmal die heimischen Gehege-Züchter abdecken können. Das meiste käme aus Neuseeland, wo Rehe und Hirsche in riesigen Gehegen gezüchtet werden. Zufällig ergab sich ein paar Jahre später, dass ich tatsächlich in Neuseeland einen halben Tag lang durch ein komplett eingezäuntes Tal fuhr, in dem zehntausende Rehe und Hirsche gehalten wurden. „For meat and leather“, meinte ein Arbeiter der Farm, den ich fragte. Und ein heimischer Schneider verriet mir einmal, dass auch die schönsten Lederhosen original österreichischer Trachten nicht aus heimischer Hirsch-Haut sind sondern made in New Zealand. „Das Leder der österr. Hirsche ist kaum zu gebrauchen – zu viele Narben von Stacheldraht und zu klein – da muss ich bei den Beinen eine Naht machen. Neuseeland-Hirsche sind größer – da geht sich das ohne Naht aus.“